Johannes Trojan, (1837-1915) war Schriftsteller, Satiriker und Liebhaber lieblicher (!) Weine. Mit dem schlechten Jahrgang 1888 ging er hart ins Gericht.

Johannes Trojan

Die Achtundachtziger Weine

In diesem Jahr am Rheine sind leider gewachsen Weine,
die an Wert nur geringe, es reiften nur Säuerlinge
im Verlauf dieses Herbstes; nur herberes bracht er und Herbstes –
zu viel Regen, zu wenig Sonnenschein ließ erhofften Segen zerronnen sein,
nichts Gutes floss in die Tonnen ein.
Der 88er Rheinwein ist, leider Gottes, kein Wein,
um Leidende zu laben, um Gram zu begraben,
um zu vertreiben Trauer; er ist dafür zu sauer.
An der Mosel steht es noch schlimmer, da hört man nichts als Gewimmer,
nichts als Ächzen und Stöhnen von den Vätern und Söhnen,
den Müttern und Töchtern über den noch viel schlechtern
Ertrag der heurigen Lese. Der Wein ist wahrhaft böse,
ein Rachenputzer und Krätzer, wie unter Gläubigen ein Ketzer,
wie ein Strolch, ein gefährlicher, im dem Kreise Ehrlicher
unter guten Weinen erscheint er, aller Freude ist ein Feind er.
Aller Lust ein Verderber; sein Geschmack ist fast noch herber
als der des Essigs, des reinen – ein Wein ist er zum Weinen.
Aber der Wein, der In Sachsen in diesem Jahr ist gewachsen,
und bei Naumburg, im Tale der rasch fließenden Saale,
der ist saurer noch viele Male als der sauerste Moselwein.
Wenn du ihn schlürfst in dich hinein, ist dir’s, als ob ein Stachelschwein
dir kröche durch die Kehle, das deinen Magen als Höhle
erkor, darin zu hausen. Angst ergreift dich und Grausen.
Aber der Grünberger ist noch sehr viel ärger.
Lass ihn nicht deine Wahl sein! Gegen ihn ist der Saalwein
noch viel süßer als Zucker. Er ist ein Wein für Mucker,
für die schlechtesten Dichter und dergleichen Gelichter.
Er macht lang die Gesichter, blass die Wangen; wie Rasen
so grün färbt er die Nasen. Wer ihn trinkt, den durchschauert es,
wer ihn trank, der bedauert es. Er hat etwas so Versauertes,
dass er sich nicht lässt mildern und schwer ist zu schildern
in Worten oder Bildern. Aber der Züllichauer
ist noch zwölfmal so sauer als der Wein von Grünberg,
der ist an Säure ein Zwerg gegen den Wein von Züllichau.
Wie eine borstige wilde Sau zu einer zarten Taube
so verhält sich, das glaube dieser Wein zu dem Rebensaft
aus Schlesien. Er ist schauderhaft, er ist grässlich und gräulich,
über die Maßen abscheulich. Man sollte ihn nur auf Schächerbänken
den Gästen in die Becher schenken, mit ihm nur schwere Verbrecher tränken,
aber nicht ehrliche Zecher kränken. Wenn du einmal kommst
in diesem Winter nach Bomst, deine Erfahrung zu mehren,
und man setzt, um dich zu ehren, dir heurigen Bomster Wein vor,
dann, bitt‘ ich dich, sie dich fein vor, dass du nichts davon verschüttest
und dein Gewand nicht zerrüttest, weil er Löcher frisst in die Kleider
und auch in das Schuhwerk, leider. Denn dieses Weines Säure
ist eine so ungeheure, dass gegen ihn Schwefelsäure
der Milch gleich ist, der süßen, die zarte Kindlein genießen.
Fällt ein Tropfen davon auf den Tisch, so fährt er mit lautem Gezisch
gleich hindurch durch die Platte. Eisen zerstört er wie Watte,
durch Stahl geht er wie durch Butter, er ist aller Sauerkeit Mutter.
Standhalten vor diesem Sauern weder Schlösser noch Mauern.
Es löst in dem scharfen Bomster Wein sich Granit auf und Ziegelstein.
Diamanten werden sogleich, in ihn hineingelegt, pflaumenweich,
aus Platina macht er Mürbeteig. Dieses vergiss nicht, falls du kommst
in diesem Winter einmal nach Bomst.

P.S.

Dem Manne kann geholfen werden.
Und weil er nicht mehr weilt auf Erden,
so senden wir ihm hinterdrein
ein Fläschchen Bestenseer Wein.